Programme  Technopolitics Evening
SAT 20. SEP 7 pm
Anna Echterhoelter
Anna Echterhölter 

Too blind to see

Über Datenkolonialismus, AI und (anti-)imperiale Intelligenzen


Präsentation und Gespräch mit Emma Dowling Universität Wien
und Felix Stalder Zürcher Hochschule der Künste.


D
atenkolonialismus beschreibt die jüngste Welle der Metrisierung, Verdatung und Quantifizierung der Gesellschaft. Wie der Imperialismus zu Land hat der digitale Kolonialismus eine ökonomische Dimension: Alles wird Ressource insbesondere Daten über unser Verhalten, woraus wenige eine große Anzahl an Gewinnen abschöpfen. Anders als bei anderen disruptiven Technologien werden insbesondere durch AI die „Weapons of Math Destruction“ auf den Bereich des Denkens, der kreativen Produktion, der Komposition und der Autorschaft ausgerichtet. Was aber hat dies für Auswirkungen auf unsere kognitive Praxis? Aus wissenschaftshistorischer Perspektive sind zwei Dinge auffällig: Zunächst führt bereits die Geschichte der Daten direkt in die Kolonien: Die ersten Zentren der Kalkulation werden im Auftrag frühneuzeitlicher Imperien gegründet und diese legen den Grundstein für die umfängliche Indizierung von Mensch und Natur, noch bevor der bürokratische Staat im 19. Jahrhundert Methoden perfektionierte, das Individuum adressierbar, klassifizierbar und lesbar zu machen. Im Kalten Krieg finden sich dann erste Spuren der heutigen AI Technologien eher bei den Geheimdiensten als in den soziologischen Seminaren. Sodann ist auffällig, dass im Datenkolonialismus Wissenstypen massiv überschrieben werden: Im Sturm der Zahlen verlieren wir alles, was nicht ausreichend quantifizierbar ist, verdatet werden kann und nicht ausreichend dokumentiert wurde, die kolonialen Epistemizide vervielfältigen sich. Was aber wären Ansätze für dekoloniale Datennutzungen, was umfasst die Forderung nach Indigenous Data Sovereignty, wie operiert das Environmental Data Justice Lab oder wer betreibt Datenfeminismus?

Anna Echterhölter

ist Professorin für Wissenschaftsgeschichte an der Universität Wien. Sie promovierte zu Epistemischen Werten in Nachrufen auf Naturwissenschaftler (Wallstein 2012) und arbeitete anschließend am Institut für Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität Berlin. Es folgten Fellowships am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin (2008, 2015) und am German Historical Institute in Washington, DC (2016) sowie Gastprofessuren für Kulturgeschichte an der HU Berlin und der Technologiegeschichte an der TU Berlin. Die Habilitation untersucht die Geschichte der Metrologie aus Sicht der Geistes-, Rechts- und Sozialwissenschaften. Es folgten Forschungsaufenthalte in Paris, Samoa und in der Kollegforschergruppe „Applied Humanities“. Sie ist Gründungsmitglied der ilinx-Redaktion und seit 2022 Mitherausgeberin von Science in Context. Zu ihren Forschungsgebieten zählen Geschichte der Quantifizierung, Rationierung und Planung, epistemische Dekolonisation und die Wissenschaften des deutschen Kolonialismus in Ozeanien. Seit 2019 sind zudem die Enqueten über Indigene Rechte des deutschen Kolonialbüros und eine Perspektive zu indigenem Recht und sie untersucht die Kolonialstatistik im Paradigma des Datenkolonialismus im Forschungsprojekt „How is AI Changing Science“ (Bonn, Karlsruhe Wien).



Undisciplined Intelligence
A
series by Technopolitics of dialogues beyond the disciplines.


Intelligence has long been regarded as a central and unique characteristic of humans, and yet ‘intelligence’ has always been a problematic term. Since it came into (pseudo-) scientific use towards the end of the 19th century, it has not been possible to define the term clearly. Nevertheless, or perhaps precisely because of this, its use is currently expanding rapidly. Towards machines in the form of artificial intelligence, and a growing number of non-human organisms whose higher cognitive functions are being analysed.

The question of intelligence is not only of interest within various scientific disciplines, but far beyond them. It directly or indirectly concerns the relationship of humans to the world and their position in it. The change in the concept of intelligence accompanies and reflects the constant change in the self-perception of different societies. This means that our understanding of intelligence is inevitably culturally characterised and has political consequences.